Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat laut einem am 10. Oktober 2022 veröffentlichten Urteil entschieden, dass Menschen mit Behinderung mehr Selbstbestimmung bei der Wahl ihrer Hilfsmittel zusteht. Im konkreten Fall ging es um einen 49jährigen Nutzer eines manuellen Rollstuhls, der mit seinem Handbike aufgrund nachlassender Kraft in den Armen und Problemen in der Schulter nicht mehr zurecht kam. Deshalb hatte er bei seiner Krankenkasse ein elektrisches Rollstuhlzuggerät beantragt. Diese lehnte jedoch mit der Begründung ab, die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sei nur halb so teuer und deshalb dem Rollstuhlzuggerät vorzuziehen.
In erster Instanz gaben die Richter der Krankenkasse Recht, das LSG hat die Krankenkasse aber nun zur Übernahme der Kosten verurteilt. Zur Begründung gaben die Richter an, dass ein querschnittgelähmter Versicherter nicht gegen seinen Willen auf einen rein passiven Elektrorollstuhl zur Erschließung des Nahbereichs verwiesen werden könne, wenn er lediglich eine elektrische Unterstützung benötige. Dies folge insbesondere aus den Teilhabezielen des SGB IX und der UN-Behindertenrechtskonvention. Die Leistung müsse dem Berechtigten viel Raum zur eigenverantwortlichen Gestaltung der Lebensumstände lassen und die Selbstbestimmung fördern.
Das Urteil ist ein wichtiger Meilenstein für viele Menschen mit Behinderung, weil sie sich nun der bisher gängigen Praxis vieler Kostenträger, stets auf das preisgünstigste Hilfsmittel zu verweisen, widersetzen können. Damit wird das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung entscheidend gestärkt. Ganz nebenbei ermöglicht es Rollstuhlfahrern auch, sich gemäß ihren individuellen körperlichen Möglichkeiten zu versorgen und diese länger zu erhalten.